Durch Max Bill angeregt, beschäftigte sich der Schweizer Lyriker Eugen Gomringer seit Anfang der 1950er-Jahre mit der Konkreten Kunst. Er übertrug deren Idee der formalen Reduktion und geometrischen Konstruktion in die Dichtung und entwickelte die Konkrete Poesie: „Bei mir bestand diese Revolution darin, dass ich mich auf einzelne Lettern und Buchstaben des Alphabets und einzelne Worte und ganz kurze Sätze bezog. Wobei aber jedes Wort seine eigene Betonung seine eigene Bedeutung erhält.“1
Gomringers Gedichte sind spielerische Konstellationen „einer minimalen Anzahl von Wörtern, die, in signifikanter Weise grafisch angeordnet, den Leser dazu bringen, Semantik und Anordnung spielerisch miteinander zu verbinden.“2 Es entstehen Ideogramme mit verblüffend einfachen Spielregeln, die – an John Cage erinnernd – eine oft pardox-komplexe Gedankenwelt eröffnen: Das Ideogramm ‚Schweigen‘ aus dem Jahre 1960 ist so eine visuelle Fragestellung im Grenzbereich zwischen Text und Bild. Ist der Begriff ‚Schweigen‘ sichtbar oder hörbar? Das Wort ‚schweigen‘ ist vierzehn Mal anwesend und wird doch erst durch seine Abwesenheit in der Mitte der Konstallation erlebbar, in der „Figur und Grund in ihrer Wahrnehmungshierarchie sich also umdrehen, der Grund zur alleinigen Figur wird“.3