Ich nenne es Ordnung

Die Plakatstudien entstanden am Anfang des Semesters zum Thema Ordnung des Wissens. Sie sind inspiriert von einer „gewissen chinesischen Enzyklopädie, in der es heißt, daß  die Tiere sich wie folgt gruppieren: a) Tiere, die dem Kaiser gehören, b) einbalsamierte Tiere, c) gezähmte, d) Milchschweine, e) Sirenen, f) Fabeltiere, g) herrenlose Hunde, h) in diese Gruppierung gehörige, i) die sich wie Tolle gebärden, k) die mit einem ganz feinen Pinsel aus Kamelhaar gezeichnet sind, l) und so weiter, m) die den Wasserkrug zerbrochen haben, n) die von Weitem wie Fliegen aussehen.“1 

Die Aufgabe bestand darin,  einen Ausschnitt des eigenen Alltags wie ein Zimmer, den Schreibtisch, den Rechner oder gar den Kopf zu ordnen und dieses System in eine grafisch-typografische Ordnung zu übersetzen. Borges’ surreale Aufzählung völlig unterschiedlicher Kategorien ließ uns überlegen, inwiefern verschiedene Ordnungssysteme unser Denken beeinflussen. Durch die alphabetische Serie (a, b, c, …) werden hier die Gruppen der Tiere gleichzeitig getrennt und miteinander in Beziehung gesetzt. Wie Michel Foucault schreibt, schafft dieses System einen gedanklichen Raum, an dem „gezähmte Tiere“, „Fabelwesen“ und solche, „die mit einem feinen Pinsel aus Kamelhaar gezeichnet sind“, nebeneinander existieren können, während sich ein solcher Ort innerhalb der materiellen Welt niemals finden würde.2

 

Als Designer:innen setzen wir stets vorhandene Dinge untereinander in Beziehung und schaffen somit Räume – unter Umständen ähnlich absurde, wie sie Borges in seinem Text entworfen hat. Zusätzlich zu der Aufzählung, die Borges verwendet, bietet uns jedoch die grafisch-visuelle Darstellung viel mehr Möglichkeiten, die Relation der Elemente untereinander aufzuzeigen. Beschränkt sich die Gruppierung der Tiere bei Borges auf eine textliche und somit lineare – hier scheinbar logische – Abfolge von Kategorien, steht uns in der Plakatgestaltung eine Fläche zur Verfügung, die wir nutzen können, um Abhängigkeiten, Nachbarschaften und Kontraste darzustellen. Die Herausforderung bestand darin, diese Beziehungen bewusst zu gestalten, um die Aufmerksamkeit der Betrachter:innen zu lenken und die jeweilige Aussage zu stärken. Aber nicht jede Ordnung ist sinnvoll und nicht jede sinnvolle Ordnung ist richtig.

 

  1. Borges zitiert nach Michael Foucault: Die Ordnung der Dinge, Frankfurt a. M. 1974, S. 17
  2. Vgl. ebd., S.19