Annoying. Toolkit

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Feministisches Denken und Handeln im Design umfasst nicht nur das Sichtbarmachen feministischer Positionen, sondern auch das Vorantreiben unserer eigenen fachlichen Emanzipation als Designer:innen. Um unsere Fähigkeiten weiterzuentwickeln, ist es wichtig, die verfügbaren Werkzeuge zu kennen, zu verstehen und angemessen nutzen zu können. Doch welche Werkzeuge sind das genau? Sind es die immer zahlreicher und besser werdenden Softwareangebote? Cutter, Fixogum, Stift und Pinsel? Oder sind es spezielle konzeptionelle Entwurfsmethoden? Um sich in diesem breiten Spektrum zurechtzufinden, ist es besonders für junge Designer:innen aufschlussreich, sich ihrer Wurzeln bewusst zu werden.

 

In dem Kurs »Annoying — Toolkit« haben wir uns auf die Ausstellung »The F*Word« im Museum für Kunst und Gewerbe (MK&G) Hamburg mit ihrer außergewöhnlichen Fülle an Exponaten von Gestalterinnen konzentriert und diese in den Mittelpunkt unserer Untersuchungen gestellt. Die Student:innen nutzten die einzigartige Gelegenheit, ausgewählte Arbeiten zeitgenössischer Gestalter:innen direkt mit historischen Positionen in Beziehung zu setzen und die entsprechenden Gestaltungsprozesse zu untersuchen. Dabei haben sie das Zusammenspiel von Ästhetik, Technik und Gestaltungsmethoden erforscht und sich experimentell angeeignet. Durch die begleitenden Workshops von Golnar Kat Rahmani, Distaff Studio und Paul Rutrecht haben sie ein Verständnis für Gestaltungsprozesse und Technologien entwickelt und eigene experimentelle Vermittlungs- und Entwurfsformate entwickelt.

 

Der Workshoptag »Hands on Tools«, an dem fünf studentische Gruppen ihre bisherigen Erkenntnisse mit anderen teilten und sich gegenseitig zu entwurfsmethodischen Workshops einluden, bildete den Höhepunkt des Semesters. Die vorangegangene Recherche, Entwicklung und Durchführung der Workshops und die gewonnenen Erkenntnisse werden in einer Publikation sowie einer erweiternden digitalen Version veröffentlicht. Dieses Publikationsbundle soll unsere Erkundungsprozesse widerspiegeln und andere Designer:innen dazu einladen, unsere Forschung fortzusetzen.

 

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Zusätzlich zum Designkurs haben wir uns im Labor mit der Gestaltung und Entwicklung von Online-Publikationen beschäftigt. Das Ziel war, die Komplexität einer Website und ihrer Rahmenbedingungen zu erkennen und zu verstehen – um uns zu ermutigen, uns von vorgefertigten Templates und gängigen Konventionen zu lösen und einen direkteren, weniger vorbestimmten und ausgefeilten Weg einzuschlagen. In einer Zeit, in der LLMs (Large Language Models) wie ChatGPT scheinbar immer mehr Arbeit für uns erledigen, erhält die Rückkehr zur manuellen Programmierung eine neue Bedeutung und ermöglicht uns eine direkte Auseinandersetzung mit den technischen Möglichkeiten.

 

Wir haben uns gefragt, wie sich unsere gestalterische Praxis verändert, wenn wir einen genauen Blick auf die vergleichsweise junge Geschichte des Internets werfen und verstehen, welche grundlegenden Bausteine Websites ausmachen. Ein Webserver, den wir über unseren Browser erreichen, ist – auch wenn uns die Cloud etwas anderes verkaufen möchte – etwas Physisches, Lautes und Energiehungriges, das viel Platz einnimmt. Ganze Gebäudekomplexe sind mit verkabelten Computern gefüllt, deren Lüfter-Batterien den gleichen höllischen Lärm erzeugen, wie eine riesige Maschinenhalle. Daten fließen durch dicke Kabel auf dem Meeresboden. Wenn wir uns der Körperlichkeit des Internets bewusst werden, hilft es uns, das Internet als etwas Greifbares und Formbares zu verstehen, das wir von Grund auf in seiner Funktionalität verstehen können und sollten, um es sowohl nutzen als auch regulieren zu können.

 

Im Kurs begannen wir damit, Inhalte mit HTML (HyperText Markup Language) zu definieren und zu strukturieren, bevor wir sie mit CSS (Cascading Style Sheets) gestalteten und mit JavaScript zum Leben erweckten. Sobald wir mit dem Schreiben von Code beginnen, wird unsere Praxis zu einem systematischen Gestalten und nicht mehr nur zu einem manuellen Verschieben von Pixeln. Wir legen Regeln fest, denen sich die Elemente unserer Website beugen müssen; somit können wir unsere Gestaltung stets kontrollieren und bewusst beeinflussen. Wie verändert sich unser Entwurfsprozess, wenn wir kein festes (Print-)Format mehr gestalten und nicht genau wissen, auf welchem Gerät unsere Website genutzt wird? Nach verschiedenen Versuchen und Übungen, in denen wir mit Form, Farbe, Typografie, Bildern und Animationen arbeiteten, entwickelten die Gruppen eigenständige Webanwendungen, die die Printpublikation ergänzen.