EXPO. Play The System

Theoretisch kann sich ein:e Designer:in gezielt auf eine klare Problemlösung konzentrieren oder das Ziel prozessorientiert offen lassen. In der Praxis ist es selten möglich, diese beiden Aspekte zu trennen. Deshalb haben wir uns unter dem Titel ‹Play the System› dem prozessorientierten, performativen Charakter des Entwurfsprozesses gewidmet.
 
Eine Performance impliziert unweigerlich die Idee des Spiels. Obwohl formal geregelt, handelt es sich um eine «zwanglose komplexe Betätigung, bei der der Lustgewinn im Vordergrund steht»1. Dieses Vergnügen wollten wir im Umgang mit Typografie erfahren, gerade weil es ein festgelegtes und doch so lebendiges Abbild unserer Sprache ist.
 
Bei unseren Untersuchungen und Experimenten wurde uns klar, dass der typografische Entwurfsprozess erst richtig spannnend wird, wenn grafische, technologische und literarische Untersuchungen spielerisch interagieren und zu einer lebendigen Performance werden.
 
Schon Ende des 19. Jahrhunderts löste Stephane Mallarmé mit dem Gedicht ‹Un Coup de Dés› die Linearität der Sprache auf und ‹programmierte› ein typografisches System, in dem sich Gedanken und Schriftbild scheinbar spielerisch formen.
 
In den 1960er Jahren stellte Max Bense die Bedeutung des Wortes nachhaltig in Frage: «das wort wird nicht in erster linie als intentionaler bedeutungsträger verwendet, sondern … auch als materiales gestaltungselement …»2. Diese radikalen Auffassungen inspirieren Akteure verschiedendster Dispziplinen: Durch das systematische Erzeugen und spielerische Kombinieren von Zeichen und Wörtern entstanden und entstehen unterschiedlichste Sys-tementwürfe in Sprache, Literatur und Typografie.
 
Direkt auf Bense bezugnehmend, entwarf Eugen Gomringer mit der ‹Konkreter Poesie› spielerische Konstellationen von Worten, die «den Leser dazu bringen, Semantik und Anordnung spielerisch miteinander zu verbinden.»3 John Cage hingegen experimentierte mit Kompositionsprinzipien, die er auf seine performativen Sprachkompositionen übertrug und durch systematisch implantierte Zufälle erweiterte.4
 
Und während Oulipo (Werkstatt für Potentielle Literatur) «eine Spracherweiterung durch formale Zwänge [mithilfe] mathematisch ausgeklügelter Regelwerke»5 erzielen wollte, untersuchen Hannes Bajohr und Gregor Weichbrodt die ‹Digitale Literatur›, die – durch Alogrithmen gesteuert – performativ im digitalen Raum entsteht.
 
Mittlerweile haben sich Zeichen und Wörter endgültig vom Papier gelöst und müssen nicht mehr zwingend linear erzählen. Dank der Designer:innen, wie beispielsweise von Dia Studio, Studio Feixen, Two Points und schlussendlich uns selbst, entwickeln sie ein agiles Eigenleben im digitalen oder analogen Raum, das neue Dimensionen eröffnet.

  1. https://de.wiktionary.org/wiki/sp%C3%A6la
  2. Bense, Max: konkrete poesie, http://www.stuttgarter-schule.de/bense_konkret3.htm (21. 2.2021)
  3. Czoik, Peter: Eugen Gomringer, https://www.literaturportal-bayern.de/autorinnen-autoren?task=lpbauthor.default&pnd=11869636X
  4. vgl. Grebin, Heike: Stil, System, Methoden, Hamburg 2017, S. 70
  5. Ritte, Jürgen: Schreiben in Potenz, https://www.nzz.ch/feuilleton/buecher/schreiben-in-potenz-1.18454428 (21.2.2021)