Alle anzeigen

Die krumme Rippe wird gerade

Salya Fink

Saskia Macht

Um einen perspektivischen Zugang zur Gesellschaft und deren Normen, Rollen und Verhaltensweisen zu bekommen, bedienen wir uns dem Medium der literarischen Werke. Denn was bietet sich besser als Schlüssel zur Vergangenheit an, als das geschriebene Wort in der Lyrik?

 

«Behandelt die Frauen mit Nachsicht!

Aus krummer Rippe ward sie erschaffen,

Gott konnte sie nicht ganz grade machen.

Willst du sie biegen, sie bricht.»

Johann Wolfgang von Goethe (1819): West-östlicher Divan. (Cotta)

 

Laut Goethe ist die Frau, oder auch «die krumme Rippe» genannt, nicht mehr geradezubiegen, da sie sonst «bricht». Diese Aussage impliziert, dass dem Wesen Frau eine natürliche Falschheit inne liege und nicht mehr geradezurichten sei. In vielen Kulturen wird dem Weiblichen Zerbrechlichkeit und eine Unterlegenheit gegenüber dem männlichen Geschlecht zugeschrieben. Wir schärfen den Blick auf bekannte Lyriker, welche ihren Anblick auf die Schönheit einer Frau nur zu gerne kundtaten. Das binäre Geschlechterkonstrukt wird entlang historisch und kulturell modifizierter Regeln immer wieder hergestellt und ist keineswegs natürlich gegeben. Unser soziales Geschlecht ist ein gesellschaftliches Konstrukt und unterliegt von Menschen gemachten Vorstellungen, Erwartungen und Gesetzen. Doch wird in der heutigen Gesellschaft die geschlechtliche Vielfalt zunehmend anerkannt und das binäre Geschlechtersystem als veraltetes Modell angesehen. Trotz aller Reformen, bleibt die Gesellschaft mit der zweigeteilten, heteronormativen Ordnung konstitutiv verwoben, welche sich auf unser Denken von Identität, sowie die Funktionsweise unserer Identitätskonzeption auswirkt.

 

‹Schönheit› ist ein Mythos und übernimmt die Funktion sozialer Kontrolle. Die äußere Gestaltung ist seit jeher die Inszenierung einer erfolgreichen Partizipation an der Gesellschaft. Es ist Zeit, ‹Schönsein› neu zu definieren!